„Als Herr Schlaffer von den Problemen in seiner Kindheit und Jugend erzählt hat, hatte ich an vielen Stellen das Gefühl, er spricht von mir. Ich bin froh, dass ich jemanden hatte, der mir zugehört hat, und ich so meinen Hass überwinden konnte“, berichtet eine Schülerin der Alexander-von-Humboldt-Schule Aßlar,
nachdem sie wie ihre Mitschüler der Abgangsklassen 10G, 10R und 9H vier Schulstunden lang den erschütternden und intensiven Ausführungen von Philip Schlaffer, Aussteiger aus der Neonazi-Szene, ehemaliger Chef einer Rockergang, früherer Gewalttäter und Krimineller, gefolgt ist und tiefe Einblicke in den Weg in die Radikalisierung und wieder heraus genommen hat. Während des Vortrags herrscht Totenstille in der Aula und auch danach ist Schülern und Lehrern die Betroffenheit sichtlich anzumerken. Indem Schlaffer nichts beschönigt und offen über seine von Hass und Gewalt geprägte Zeit als Rechtsradikaler berichtet, aber auch durch das konsequente Einbeziehen seiner Zuhörer und seine direkte, teils recht drastische Ansprache, gelingt es ihm, die Jugendlichen mitzunehmen und ihnen die Ursachen und Gefahren einer Radikalisierung eindrucksvoll nahe zu bringen.
Auch anhand des Films „Radikal“ zeigte er, dass es bei einer Radikalisierung, sei es in Richtung Links- oder Rechtsextremismus oder hin zum Islamismus, stets darum geht, instabilen Jugendlichen mit familiären Problemen ein neues, geordnetes „Zuhause“ und eine verkürzte und dadurch „leichtere“ Weltsicht zu bieten. Dies bestätigte auch seine Lebensgeschichte. „Bei mir haben Musik und das Gefühl von Heimat durch die Gruppe eine große Rolle gespielt. Dort wurde mein grundloser Hass auf Juden, LGBTQ, Migranten und die Polizei geschürt“, erklärte Schlaffer und warnte: „Glaubt nicht alles, was man euch auf Plattformen wie Tiktok erzählt!“. Auch an seinen Gefängniserfahrungen und dem Umgang mit Drogen und Prostitution ließ er die gebannt lauschenden Schüler in schonungsloser Offenheit teilhaben. „Alle Extremisten sehen sich in einer Opferrolle und glauben, sich permanent wehren zu müssen“, erklärte der Ex-Neonazi und zeigte ein Bild von sich vor einer Neonazi-Flagge mit Gewehr im Arm.
Den zweiten Teil seines Auftritts nutzte Philip Schlaffer, um seinen Ausstieg aus der Radikalenszene zu skizzieren. Sein Leben als krimineller Gewalttäter und Drogendealer führte zu hohen psychischen Belastungen und Angststörungen, deren Nachwirkungen er noch heute spüre. Nachdem die Rockergang, deren Anführer er mittlerweile war, verboten worden war, gelang es ihm, u.a. mit psychologischer und familiärer Hilfe aus dem Milieu auszusteigen. „Vergesst nicht: Aus Hass kann nie etwas Positives entstehen. Lasst euch nicht verführen und seid da, wenn es einem Freund schlecht geht“, so sein Schluss-Appell.
Es folgte eine Fragerunde, die viele Schüler nutzten, um noch mehr über die Person Philip Schlaffer und sein Anliegen, vor den Gefahren des Rechtsradikalismus zu warnen, zu erfahren.
Zu Beginn und am Ende sprach Jonas Falk als organisierende Lehrkraft das allgemein immer stärker werdende Gegeneinander an. „Demokratie fällt nicht vom Himmel und wir wollen als Schule einen Teil dazu beitragen, dass wir die demokratischen Grundwerte pflegen. Wir stehen für ein offenes und respektvolles Miteinander und wollen aktiv Demokratiebildung betreiben.“